Es ist was es ist . . .
. . . und das weiß nur der Arzt
„Wer schön sein will, muss leiden.“ Was die Umsatzsteuer anbelangt, hat dieses Sprichwort eine eigene Bedeutung. Laut Umsatzsteuerrichtlinien sind rein ästhetische Maßnahmen ohne medizinische Indikation der Umsatzsteuer (20%) zu unterwerfen. Auch ästhetisch-plastische Leistungen eines Chirurgen gelten aus umsatzsteuerlicher Sicht nur dann als umsatzsteuerbefreite medizinischen Heilbehandlung, wenn ein therapeutisches Ziel im Vordergrund steht. Im Hinblick auf die Abgrenzungskriterien zwischen reiner Ästhetik und medizinsicher Indikation zeigt die Gangart der Finanzverwaltung einen „Zick-Zack-Kurs“. Im Folgenden geben wir Ihnen einen Überblick über die aktuelle Lage:
1. Wer ist betroffen?
Kosmetische Eingriffe und Behandlungen ohne medizinische Indikation von Ärzten sind bei genauerem Hinsehen eher selten. Selbst Plastiker haben einen sehr hohen Anteil an rein medizinisch indizierten Eingriffen. Prinzipiell können aber auch Augenärzte, Dermatologen, Gynäkologen, Orthopäden sowie auch Allgemein- und Zahnmediziner umsatzsteuerpflichtige ästhetische Leistungen erbringen.
2. Wann stehen therapeutische Ziele im Vordergrund?
Dies können nur die behandelnde Ärztin bzw. der zuständige Arzt beurteilen. Nach den Umsatzsteuerrichtlinien ist die Finanz an diese Beurteilung gebunden, nicht jedoch die Gerichtsbarkeit, sodass eine wirklich unumstrittene Regelung fehlt. In Zweifelsfällen sollte die medizinische Indikation daher jedenfalls eindeutig dokumentiert werden. Der Nachweispflicht der Ärzte/Innen sind dabei Grenzen gesetzt. Die Vorlage der Patientenkartei kann auf Grund der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht jedenfalls nicht verlangt werden.
Vor einiger Zeit gab es dazu leider auch ein gegenläufiges Judikat des Bundesfinanzgerichtes. Hier hat eine Schönheitschirurgin alle Leistungen als medizinisch indiziert eingestuft. Das war dem Betriebsprüfer zu viel. Er differenzierte daher selbst und bejahte ein therapeutisches Ziel z.B. bei einer Nasenkorrektur nach einem Verkehrsunfall, einer Nävusentfernung, einer Brustverkleinerung, einer Narbenbehandlung und Narbenkorrektur, einer Lippenkorrektur, einer Schweißdrüsenabsaugung, einer Behandlung der Gynäkomastie und Knotenexstirpation, einer Schlupfwarzenkorrektur etc.). Alle Leistungen, bei denen ein therapeutisches Ziel dem Finanzler nicht vordergründig erschien (Definition gem. www. Lifeline.de), wurden teils zu 80% und teils zur Gänze umsatzsteuerpflichtig behandelt. Zur letzten Gruppe zählten z.B. Faltenbehandlung, Brauenlifting, Brustvergrößerung, Bruststraffung etc.
Glücklicherweise folgte etwas später dazu ein Judikat des Verwaltungsgerichtshofes, wonach der medizinische Laie nicht feststellen kann, ob eine ästhetisch anmutende Leistung medizinisch indiziert und damit umsatzsteuerfrei ist oder nicht.
Dank diesem jüngsten Judikat sind wir wohl wieder bei der ursprünglichen Gangart, wonach es alleine der Ärztin/dem Arzt obliegt, darüber zu befinden, ob eine ärztliche Leistung medizinisch indiziert ist. Jedenfalls ist es nunmehr undenkbar, dass bei einer Steuerprüfung die Finanz, mittels im Internet erworbenen Wissens, selbst eine dahingehende Beurteilung vornehmen kann.
3. Die aktuelle Empfehlung Ihres MEDTAX-Steuerberaters:
Dokumentation ist alles. Differenzieren Sie sorgfältig zwischen reiner Ästhetik und einer vordergründigen medizinischen Indikation und sorgen Sie für eine klare Dokumentation der jeweiligen Beurteilung.
4. Was ist bei der täglichen Buchführung zu beachten?
In der Buchhaltung sind die umsatzsteuerpflichtigen Leistungen auf separaten Konten zu erfassen und in die monatliche Umsatzsteuervoranmeldung aufzunehmen. Dazu empfiehlt es sich, auf den Bankbelegen die betreffenden Honorareingänge zu markieren bzw. in der Registrierkassensoftware eine eigene Position zu definieren.
5. Die gute Nachricht:
Vorsteuern auf korrespondierende Vorleistungen (Ärztebedarf, medizinisch-technische Geräte etc.) können von der geschuldeten Umsatzsteuer in Abzug gebracht werden. Wenn ein Zusammenhang nur zum Teil (z.B. EDV-Ausstattung) gegeben ist, steht ein anteilsmäßiger Vorsteuerabzug zu. Wird z.B. ein kostspieliger Laser nur für rein ästhetische Behandlungen eingesetzt wird, so kann sich daraus ein vorteilhafter Finanzierungseffekt in Höhe von 20% der Nettoanschaffungskosten ergeben.
6. Die beste Nachricht:
Es geht mitunter trotzdem auch ganz ohne Umsatzsteuer, weil eine Umsatzsteuerpflicht nur dann entsteht, wenn die Gesamtsumme die steuerpflichtigen Umsätze (d.h. der rein ästhetischen Behandlungen plus eventueller Produktverkäufe, Vermietungseinkünfte etc..) jährlich eine bestimmte Grenze (netto 35.000,- brutto somit 38.500 bis 42.000 Euro) überschreiten.
7. Resümee
Fehlt eine medizinische Indikation, so sind ästhetische Maßnahmen umsatzsteuerpflichtig. Stehen jedoch therapeutische Ziele im Vordergrund, so ist nach wie vor von einer umsatzsteuerfreien ärztlichen Tätigkeit auszugehen. Die Beurteilung, inwieweit therapeutische Ziele im Vordergrund stehen, obliegt der Ärztin/dem Arzt. Die beste Empfehlung ist daher nach wie vor eine astreine Dokumentation zur Differenzierung und Abgrenzung zwischen reiner Ästhetik auf der einen und einer vordergründigen medizinischen Indikation auf der anderen Seite.