Das Finanzministerium hat bei Einführung der Umsatzsteuerbefreiung für Ärzte und andere Heilberufe im Jahr 1997 per Erlass verfügt, dass die Veräußerung von nicht mehr benötigten Praxisgegenständen sowie auch der ganzen Praxis ohne Umsatzsteuer erfolgen kann.
Aktuell findet sich konkrete Regelung in den Umsatzsteuerrichtlinien Randziffer 947: Für Hilfsgeschäfte, wie etwa die Veräußerung, Entnahme oder Vermietung von Anlagevermögen inklusive der Betriebsveräußerung kann bei Ärzten die Steuerbefreiung gemäß § 6 (1) 26 UStG zum Tragen kommen. Danach ist die Lieferung und Entnahme von Gegenständen steuerbefreit, wenn der Unternehmer für diese Gegenstände keinen Vorsteuerabzug vornehmen konnte und die gelieferten oder entnommenen Gegenstände ausschließlich für eine unecht steuerbefreite Tätigkeit (wie diese bei Ärzten in aller Regel vorliegt) verwendet wurden. Die USt- Befreiung gilt aufgrund dieser Richtlinien-Regelung dann für den gesamten Kaufpreis, unabhängig, ob er auf körperliche oder unkörperliche Wirtschaftsgüter bzw. den Firmenwert entfällt.
Für das Hilfsgeschäft würde nur dann keine Steuerbefreiung zustehen, wenn steuerfreie mit steuerpflichtigen Umsätzen (z.B. Medikamentenverkäufe aus Hausapotheke) zusammentreffen. In den meisten Fällen liegen solche umsatzsteuerpflichtigen Nebengeschäfte nicht vor.
Divergierende Judikatur des Bundesfinanzgerichtes zu Veräußerung von Patientenstock
Das Bundesfinanzgericht (2. Instanz im Abgabenverfahren) hat im Jahr 2014 in einem Erkenntnis (BFG vom 28.02.2014, RV/2100756/2012) erstmalig konträr zu der nach wie vor aufrechten Rechtsmeinung des Finanzministeriums entschieden. Konkret ging es um die Veräußerung der Daten der Patientenkartei durch einen (Kassen) Arzt für Allgemeinmedizin.
Das Bundesfinanzgericht entschied, dass die entgeltliche Übertragung der Patientenkartei eine sonstige Leistung darstellt. Da demnach das strittige Hilfsgeschäft keine Lieferung eines Gegenstandes darstellt, ist nach Ansicht des BFG der eingangs zitierte Befreiungstatbestand des § 6 (1) 26 UStG, der die Lieferung von Gegenständen zur Voraussetzung hat, bereits aus diesem Grund nicht erfüllt und die Umsatzsteuerbefreiung nicht gegeben. Beim Verkäufer führt dies im Ergebnis zur Umsatzsteuerpflicht, beim Käufer steht im Regelfall kein Vorsteuerabzug zu.
Rechtsunsicherheit ab 1.1.2017 zumindest teilweise behoben
Alle Ärzte und deren Rechtsberater stehen daher bei einer Ordinationsveräußerung vor der Frage, ob hinsichtlich Umsatzsteuer der Rechtsansicht des Finanzministeriums oder der Judikatur des Bundesfinanzgerichtes zu folgen ist.
Die aus dieser divergierenden Rechtslage resultierende Unsicherheit wird allerdings ab 1. Jänner 2017 durch die Ausweitung der Kleinunternehmerregelung im Umsatzsteuergesetz in vielen Fällen ausgeglichen:
Das Umsatzsteuergesetz sieht vor, dass Unternehmer, welche Umsätze bis maximal € 30.000 jährlich erzielen, als sogenannte Kleinunternehmer von der Umsatzsteuer befreit sind. Bestimmte umsatzsteuerfreie Einnahmen, darunter jene aus ärztlicher Heilbehandlung, werden für die Berechnung der 30.000-Euro-Grenze ab 2017 außer Acht gelassen. Bei Ärzten kommt daher ab 2017 für umsatzsteuerpflichtige Nebeneinnahmen die Anwendung der USt- Kleinunternehmerbefreiung ungeachtet der Höhe ihrer Honorare aus ärztlicher Heilbehandlung in Betracht.
Bei genauer Betrachtung der geänderten Rechtslage zeigt sich, dass auch Umsätze aus Hilfsgeschäften einschließlich der Geschäftsveräußerung im Ganzen bei der Einstufung hinsichtlich USt- Kleinunternehmergrenze außer Ansatz bleiben. Der Kaufpreis, welcher im Zuge der Veräußerung einer Arztpraxis für die Ablöse des Patientenstockes (der Patientenkartei) sowie des sonstigen Praxisinventars bezahlt wird, wird daher bei Ermittlung der € 30.000 Grenze nicht berücksichtigt. Die Geschäftsveräußerung im Ganzen kann daher ungeachtet der Höhe des erzielten Kaufpreises unter die Umsatzsteuer-Kleinunternehmerbefreiung fallen. Allerdings ist zu beachten, dass die Voraussetzungen für die Umsatzsteuer- Kleinunternehmerregelung im Übrigen vorliegen müssen.
Beispiel: Ein Arzt erzielt von Jänner bis September 2017 in der Ordination Honorarumsätze aus ärztlicher Heilbehandlung von € 200.000 und veräußert die Praxis samt Patientenkartei mit Stichtag 30. September 2017 an einen Kollegen um einen Kaufpreis von € 70.000. Umsätze aus anderweitigen Aktivitäten liegen nicht vor. Ergebnis: Der für die Ordinationsveräußerung erzielte Kaufpreis fällt aufgrund der neuen Rechtslage ab 2017 jedenfalls unter die Umsatzsteuer-Kleinunternehmerbefreiung, da er bei Ermittlung der € 30.000 Grenze nicht zu berücksichtigen ist.